Aus dem Leben des Moskauer Patriarchats

der Russisch Orthodoxen Kirche

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Erklärung des Patriarchen von Moskau und der Ganzen Rus'

Zur Situation in und um Tschetschenien.

Orthodoxe Christen können sich nicht mit Sünde und Gesetzlosigkeit abfinden. Das, was sich bislang in Tschetschenien abgespielt hat und bis jetzt abspielt - die Geiselnahme hunderter Menschen, darunter Orthodoxe und muslimische Geistliche, Mord, Bedrückung und Bedrohung unschuldiger Bürger, eine extreme Zunahme der Kriminalität -, konnte nicht ohne Antwort bleiben. Die Versuche, die Terrorwelle noch auf die benachbarten Regionen und ganz Russland auszudehnen, bedurften ebenfalls eines festen Widerstandes.

Angesichts dieser Situation unterstützt die Russische Orthodoxe Kirche die antiterroristischen Ziele, die von der russländischen Staatsmacht dem Heer und den rechtssichernden Organen gestellt worden sind. Es ist heute offensichtlich geworden, dass eine politische Regelung des Tschetschenischen Problems ohne die Wiederherstellung von Gesetzlichkeit und Ordnung nicht möglich ist. Die Hand der Mörder, Vergewaltiger und Terroristen muss gestoppt werden.

Gleichzeitig halte ich es allerdings auch für allergewöhnlich wichtig, dass im Zuge des Kampfes mit den Verbrechern Zivilpersonen nicht zu leiden haben - vor allem jener, die erwiesenermaßen nichts mit der verübten Gesetzlosigkeit zu tun haben, die sich ganz eindeutig geweigert haben, die Banditen und Terroristen zu unterstützen. Dies verlangt von der Armee ein Höchstmaß an Verantwortlichkeit bei der Wahl der Mittel für die Kampfoperationen - und von der ganzen Staatsmacht eine tiefreichende Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der friedlichen Bevölkerung und dabei in erster Linie für die bedürftigen Übersiedler, die in einer äußerst schweren Lage sind. Ebenso ist es unbedingt notwendig, der Gesellschaft zu genauen und vertrauenswürdigen Informationen darüber zu verhelfen, was im Nardkaukasus vor sich geht, um so die Verbreitung von Gerüchten, Furcht, nationaler und religiöser Feindschaft zu verhindern.

Indem wir mit den Hirten und Kindern unserer Kirche, die im Nordkaukasus leben, (diese Tage) durchleben, rufen wir sie dazu auf, mit Geduld und Standhaftigkeit alle möglichen Prüfungen zu ertragen. Wir werden bis zum Ende mit unserer vielleidenden Herde sein und wenden uns zugleich an die gläubigen Moslime im Gebiet der bewaffneten Auseinandersetzung wie überall in Russand: Seit Jahrhunderten haben wir zusammengelebt und werden immerdar zusammenleben. Möge es niemandem gelingen, uns heute zu spalten, denn wir haben ein einziges Ziel - die geistliche Wiedergeburt unseres Vaterlandes, die Ausrichtung seines Lebens nach zutiefst moralischen Normen.

Das Volk von Tschetschenien hat das Recht, sein Schicksal selbst zu wählen. Nachdem in der Republik der Frieden und die Ruhe wieder eingekehrt ist, obliegt es den Bundesbehörden, mit seinen Ältesten, seinen religiösen Führern und den gewählten Vertretern in den Dialog einzutreten, um so eine neue Verschärfung des Konfliktes nicht mehr zuzulassen und zu beiderseits annehmbaren Lösungen zu kommen. Jetzt muss alles getan werden, dass eine Verkürzung der Leiden der friedlichen Bevölkerung wie Hilfe für die Kranken, Hungernden und all jene, die des Obdachs beraubt worden sind und ihr Haus verlassen müssten, zu erreichen.

Daher ist unsere Kirche bereit, die Kräfte mit jenen der Staatsmacht, verschiedenen gesellschaftlichen Kräften, internationalen Organisationen, nichtorthodoxen Christen und den Moslimen Rußlands, Europas, der Welt zu vereinen. Möge unsere gemeinsamen Anstrengungen helfen, die körperlichen und geistlichen Wunden der Leidenden zu heilen.

Lasset uns gemeinsam im Namen der Friedensstiftung arbeiten und um den Frieden beten, welchen der Herr den zerspaltenen und verstockten Menschen zurückgeben möge.

ALEKSIJ, Patriarch von Moskau und der Ganzen Rus'

12. November 1999

 

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