hl. Tichon, Patriarch von Moskau |
hl. Tichon, Patriarch von Moskau |
Hl. Patriarch Tichon von Moskau und Russland († 1925).
Der Heilige Patriarch Tichon (seine weltlicher Name war Wassilij Belawin) war am 19. Januar 1865 in Toropez, Gouvemement Pskow, als Sohn eines Geistlichen zur Welt gekommen. Wassja Belawin war ein kräftiger, geistreicher und lebensfroher Junge und bei seinen Altersgefährten in der geistlichen Lehranstalt sehr beliebt. Von Natur aus sehr begabt, gehörte er im Pskower Seminarium zu den besten Schülern, er las viel und schrieb auch Gedichte. An der Petersburger Geistlichen Akademie freundete sich er eng mit dem damaligen Rektor, dem Wyborger Bischof Antonij (Wadkowski),- späterhin Metropolit von St. Petersburg, - und dem Inspektor, Archimandrit Antoni (Chrapowizki) an, der damals bereits an eine Wiedereinführung der Patriarchenwürde in Rußland gedacht hatte. An der Akademie wurde Wassili Belawin im Scherz liebevoll "Patriarch" genannt.
1888 absolvierte Wassili Belawin die Akademie und wurde als Französischlehrer an das Pskower Seminarium gesandt. Nachdem er Mönch geworden war und man ihm einen Rang zugesprochen hatte, unterrichtete er dort auch Moraltheologie und Dogmatik. 1897 wurde Archimandrit Tichon, zu jener Zeit bereits Rektor des Seminariums in Cholm, zum Bischof von Lublin geweiht. während seines elfmonatigen Dienstes in Lublin zelebrierte er gern Gottesdienste und hielte Predigten. Dann wird ihm das Amt als Bischof der Aleuten und von Alaska in Nordamerika anvertraut.
Am 28. Oktober 1918 wurde durch Gottes Gnade, dank der Fürbitte der Heiligen Gottesgebärerin und den Gebeten der Moskauer Hierarchen auf dem Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche das Heilige Patriarchat wiederhergestellt. Die Patriarchenwürde sollte der Moskauer Metropolit Tichon bekleiden. Am 21. November, dem Fest von Mariä Einführung in den Tempel, wurde der neu gewählte Patriarch inthronisiert.
Am 25. März 1925, dem Tage zu Mariä Verkündigung, ging der Demutsvolle Tichon, der Patriarch von Moskau und ganz Russland, ein Großer Märtyrer für den orthodoxen Glauben und für die Russische Kirche, in die Ewigkeit ein. Unter den unzähligen Kränzen am Sarge des Entschlafenen war auch einer, dessen Schleife die Aufschrift trug" "Einem Märtyrer des Glaubens".
"Russland im Aussatz"
Predigt, ausgesprochen am 14. Januar 1918, während eines Gottesdienstes in der Moskauer Nikolauskirche.
Liebe Brüder,
soeben habt ihr aus dem Evangelium vernommen, wie unser Herr Jesus Christus zehn aussätzige
Männer geheilt hat.
Der Aussatz ist eine furchtbare und schwere Krankheit, der man häufig im Osten begegnet,
der Körper des Kranken bedeckt sich mit Geschwüren und Krusten, seine Haut ist verschrumpft
und voller Eiter, sein Fleisch ist um und faulig (Hiob 7, 5), und so geht es ganze Jahre hindurch!
Die Armen warten auf den Tod, und er kommt nicht, sie würden sich sehr freuen und wären
fröhlich, wenn sie ein Grab bekämen (Hiob 3, 21-22). Ein Aussätziger wird von
allen gemieden, die Verwandten sind ihm fremd geworden und die Freunde haben ihn vergessen,
alle Getreuen verabscheuen ihn, und die er lieb hatte, haben sich gegen ihn gewandt (Hiob 19,
l3-l9).
Diesen entsetzlichen Qualen eines Aussätzigen ähnelt der erschreckliche Zustand, in
dem sich heute unsere teure Heimat, unser leidgeprüftes Russland, befindet.
Sein ganzer Körper ist mit Eiterbeulen und Krusten bedeckt, es siecht vor Hunger dahin
und blutet infolge nationaler Zwistigkeiten. Und wie bei einem Aussätzigen fallen auch
von ihm die Glieder ab - Kleinrussland (Ukraine), Polen, Litauen, Finnland - und bald wird von
dem großen und mächtigen Russland nur noch ein Schatten, ein kümmerlicher Name
übrig bleiben.
Wie ist das starke Zepter und der herrliche Stab so zerbrochen (Jer. 48, 17)! Die Fürstin
unter den Völkern, und die eine Königin in den Ländern war, muss nun dienen.
Sie weint des Nachts, dass ihr die Tränen über die Wangen laufen. Es ist niemand unter
allen ihren Liebhabern, der sie tröstet (Klagelieder Jeremias, 1, 1-2). Und ist zum Spott
und zum Bild des Schreckens geworden allen, die ringsum wohnen (Jer. 48, 39)! Ihr habt natürlich
zur Kenntnis genommen, dass unsere Verbündeten im Ausland beim Erscheinen von Russen an
öffentlichen Stätten von unseren Landsleuten eiligst fortstreben wie von einer ansteckenden
Seuche. Auch wir distanzieren uns daheim oftmals von denjenigen, die wir bis vor kurzem noch
für unsere Beschützer gehalten und auf die wir voller Stolz und Zuversicht geblickt
hatten. So geht eine für uns dermaßen betrübliche "Umwertung der Werte"
vor sich! Wie können wir nun aus unserer heutigen kummervollen Lage herausgelangen? Immer
häufiger hört man vernünftig denkende Leute sagen, "nur ein Wunder könne
Russland retten". Richtig ist auch, wenn gesagt wird, Gott könne unsere zugrunde gehende
Heimat retten. Aber sind wir dieser Göttlichen Gnade auch würdig, verdienen wir es,
dass mit uns ein Wunder geschehe?
Aus dem Heiligen Evangelium wissen wir, dass Christus der Erlöser an manchen Orten wegen
des Unglaubens ihrer Bewohner nicht viel Zeichen getan hat (Mt 13, 58). Andererseits hat der
Herr, als er Seinen Jüngern kommende Unbilden - Kriege, Hungersnöte, Erdbeben - prophezeite,
gesagt, um der Auserwählten willen werden diese schwere Tage verkürzt (Mt 24, 22).
Gibt es, liebe Brüder, unter uns wenigsten ein Paar rechtschaffene Leute, um deretwillen
sich der Herr der Völker erbarmt? Das weiß nur Gott allein! Wir aber wollen wie die
aussätzigen Männer im Evangelium beten: "Jesu, lieber Meister, erbarme Dich unser
(Lk 17, 12 - 13). Wenn Du reine Seelen begnadest, so tue es auch mit uns armen Sündern
und errette uns, auf dass wir nicht völlig zugrunde gehen".
Hl. Patriarch Tichon von Moskau und Russland - 7. April (25. März) und 9. Oktober (26. September)