ehrw. Mrt. Großfürstin Elisabeth |
Ehrw. Mrt. Elizaveta Feodorovna - Eine deutsche Prinzessin wird Russlands Heilige (1864 - † 1918).
Von Darmstadt nach Russland ...
Am 1. November 1864 wurde in Darmstadt dem damaligen Erbprinzen Ludwig (1837-1892) von Hessen, dem
späteren Großherzog Ludwig IV., ein Mädchen geboren, das in der lutherischen Taufe
den Namen Elisabeth erhielt - zu Ehren der "Stammheiligen" des hessischen Hauses, Elisabeth
von Thüringen. Die kleine Elisabeth oder Ella, wie man sie in der Familie allgemein nannte,
war somit eine ältere Schwester der letzten russischen Kaiserin Aleksandra Feodorovna. Doch
ahnte wohl niemand bei der Taufe, wie sehr die kleine Ella ihrer großen Ahnfrau nacheifern
würde - nicht allein im unermüdlichen Einsatz für die Armen, sondern auch in der
Treue zum Glauben, die wie bei dieser durch die spätere Heiligsprechung anerkannt werden sollte.
Nach dem frühen Tod ihrer Mutter, der Prinzessin Alice von Großbritannien (1843-1878),
wuchs Elisabeth unter der Obhut ihrer Großmutter, der englischen Königin Victoria, auf.
Zu ihren frühen Verehrern gehörte der preußisch-deutsche Kronprinz Wilhelm, der
nachmalige Kaiser Wilhelm II. Allerdings kam diese Verbindung nicht zustande, vielmehr ehelichte
Elisabeth schon als 19-jährige den russischen Großfürsten Sergej Aleksandrovic (1857-1905),
einen Bruder Kaiser Aleksandrs III. Dabei handelte es sich um eine echte Liebesheirat, die Elisabeth
auch gegen erheblichen Widerstand vor allem ihrer englischen Verwandtschaft durchsetzte. Da sie
zu diesem Zeitpunkt noch lutherische Christin war und des vorerst auch blieb, wurde die Trauung
sowohl nach orthodoxem wie anschließend nach evangelischem Ritus vollzogen.
... und zum orthodoxen Glauben.
Großfürst Sergej, zu dieser Zeit Kommandeur des berühmten Preobrazenskij-Garderegimentes
war und 1891 zum Generalgouverneur von Moskau berufen, galt wegen seiner konservativen politischen
Ansichten vielen in Russland als finsterer Reaktionär, war in Wirklichkeit aber eher ein Mensch,
der einer zu seiner Zeit wohl schon überlebten patriarchalischen Gesellschaftsordnung anhing
und diese - letztlich erfolglos - durch die Förderung der christlichen Gewerkschaftsbewegung
Sergej Zubaotivs (1864-1917) zu verteidigen suchte.
Zudem war Sergej Aleksandrovic trotz charakterlicher Schwächen ein tieffrommer Mann und Vorsitzender
der Russischen Palästina-Gesellschaft. Als solcher unternahm er mit seiner Gattin 1888 aus
Anlass der Einweihung der russischen Kirche auf dem Ölberg in Jerusalem eine Pilgerfahrt ins
Heilige Land. Diese Reise wurde zum endgültigen Anstoß, dass Elisabeth bzw. Elizaveta
Feodorovna, wie sie jetzt als Großfürstin von Russland hieß, einen Schritt tat,
den sie schon lange erwogen hatte: Im Dezember 1890 legte sie das orthodoxe Glaubensbekenntnis ab
und wurde in die Orthodoxe Kirche aufgenommen. Sie selbst begründet dies in Briefen an ihren
Bruder Ernst Ludwig so: "Ich tue es mit so brennendem Glauben, da ich fühle, dass ich
eine bessere Christin werden kann und einen Schritt auf Gott hin tue. ... Es sind nicht die Äußerlichkeiten,
die mich angezogen haben. ... Ich tue dies vielmehr aus der Überzeugung, dass es die höchste
Religion ist. ... Äußerlich Protestant zu bleiben, nur um unangenehme Momente zu vermeiden,
wäre einfach eine Lüge vor Gott und den Menschen".
Schon bald zeigte sich, wie ernst Elizaveta Feodorovna ihre Hinwendung zum orthodoxen Glauben war,
denn die junge, lebensfrohe Frau beschäftigte sich immer stärker mit der sozialen Frage
und arbeitete intensiv in verschiedenen Hilfswerken mit. Besonders während es Russisch-Japanischen
Krieges steigerte sie ihre karitativen Aktivitäten, organisierte Lazarettzüge und richtete
im Großen-Kreml'-Palast Werkstätten für Verbandszeug ein.
Die Liebe überwindet.
Doch sollte ihr eine schreckliche Prüfung nicht erspart bleiben: Am 17.2.1905 explodierte unweit
der Wohnung des großfürstlichen Paares eine Bombe, die der Sozialrevolutionär Ivan
Kaljaev (1877-1905) geworfen hatte. Sie tötete Großfürst Sergej, dessen Körper
buchstäblich in Stücke gerissen wurde. Elizaveta Feodorovna zeigte eine fast übermenschliche
Selbstbeherrschung: Im Schnee kniend sammelte sie selbst die blutigen Überreste ihres Mannes,
sorgte aber auch dafür, dass für den schwerverletzten Kutscher gesorgt wurde, zu dessen
Beerdigung sie persönlich erschien. Und sie tat noch etwas, was viele ihrer Zeitgenossen nicht
verstanden: Sie besuchte den Attentäter, den Mörder ihres Mannes, im Gefängnis, um
ihn zur Reue zu bewegen, denn - so schildert es ihr Bruder - "sie wusste, wie Sergej unglücklich
gewesen wäre, wenn wegen ihm ein Mensch sein Seelenheil verlieren könne".
Doch beschränkt sich Elizaveta Feodorovna nicht darauf, in die Vergangenheit zu schauen, sondern
sie nahm die Prüfung, die Gott ihr gesandt hat, an und ging ihren Weg weiter: Sie verkaufte
ihren Schmuck und ihren wertvollen Besitz, um mit dem Erlös den Martha-Marien-Konvent zu gründen,
ein Kloster ganz neuer, zukunftsweisender Art in Russland.
Selig die Barmherzigen ...
Dieser Konvent sollte nach dem Willen seiner Stifterin ein Ort nie ermüdender Barmherzigkeit
werden, und zwar sowohl in seinen Mauern wie in ganz Moskau. Als Vorbild dienten ihr dabei auch
die Lebensordnungen westlicher Diakonissenanstalten und Kongregationen, die sie sich - teilweise
mit Hilfe ihrer jüngeren Schwester Victoria, der Prinzessin von Battenberg (späteren Marquioness
of Milford-Haven), besorgt hatte.
Insofern trat in der von Elizaveta Feodorovna entworfenen Ordnung des Konventes das gemeinsame monastische
Leben hinter den karitativen Dienst zurück, ohne dass es allerdings fehlte, wie schon der Name
der Einrichtung zum Ausdruck bringt: Martha-Marien-Konvent. Wie die beiden Schwestern des Lazarus
im Neuen Testament als Verkörperung der Meditation und des aktiven Engagement gezeigt werden,
so sollten auch die Schwestern des Moskauer Institutes beides verbinden. Insgesamt wurde den Schwestern
daher viel mehr Selbstverantwortung zugesprochen als in den traditionellen Klöstern. Selbst
die Verpflichtung zur Ehelosigkeit galt nicht unbedingt lebenslang, sondern konnte auch nur auf
eine bestimmte Zeit übernommen werden. Zudem arbeiteten junge Mädchen wie verheiratete
Frauen im Konvent mit. Die Gebetszeiten wurden reduziert, um den Schwestern genügend Möglichkeit
für ihren sozialen Dienst zu geben. Auch eine neue Tracht wurde entworfen - und zwar von niemand
geringerem als dem bekannten Maler Michail Nesterov.
Natürlich fanden die Ideen der Großfürstin nicht nur Zustimmung, sondern wurde sogar
von Bischöfen "protestantischer Häresien" beschuldigt, zumal sie ursprünglich
für ihre Schwestern die Wiederbelebung der im ersten Jahrtausend in der Orthodoxen Kirche praktizierten
Diakonissenweihe anstrebte, was sich aber nicht durchsetzen ließ. Besonders der damalige Bischof
von Saratov, Germogen [Dolganov] (1858-1918), der als Förderer Rasputins bekannt geworden war,
sich aber jetzt von dem "Wundermann" abgekehrt hatte, opponierte gegen das Vorhaben der
Großfürstin, wohl auch, weil er darin einen Einfluss der Kaiserin und über diese
Rasputins vermutete - völlig zu Unrecht übrigens.
Schließlich konnte am 4.4.1910 konnte die Einsegnung der ersten 17 Schwestern, darunter Elizavetas
selbst, stattfinden. Schon 1912 zählte die Gemeinschaft der "Kreuzes-Schwestern der Liebe",
wie sie jetzt hießen, 60 Mitglieder und bei der gewaltsamen Auflösung 1918 waren es sogar
105.
Sie entfalteten eine segensreiche Tätigkeit: In der Ambulanz arbeiteten unentgeltlich 34 Ärzte
in der Woche und allein im Jahre 1913 wurden 139.443 Essen an Bedürftige ausgegeben. Zudem
gab es dort eine Sterbeklinik, ein Waisenhaus, ein kleines Krankenhaus mit Operationssaal, eine
Bibliothek und etliche andere soziale Einrichtungen. Seele der ganzen Arbeit war die Großfürstin-Priorin,
die sich auch selbst nicht schonte, sondern bereit war, jede Arbeit zu übernehmen, sogar die
Besuche in den Moskauer Elendsvierteln. Als die Polizei sie ersuchte, diese wenigstens einzustellen,
da man sie - die leibliche Schwester der Kaiserin! - dort nicht schützen könne, antwortete
Elizaveta, sie danke für die Sorge, aber sie wäre in Gottes Hand und nicht der der Polizei.
In politischer Hinsicht hielt sich Elizaveta sehr zurück; es war aber allgemein bekannt, dass
sie einerseits eine enge bekannte des Ministerpräsidenten Petr Stolypin war und mit seinen
Reformplänen sympathisierte, andererseits zu den entschiedenen Kritikern des rasputinschen
Einflusses auf Hof und Staat gehörte. So unternahm sie kurz vor der Ermordung des "Wundermannes"
noch einen Versuch, Aleksandra Feodorovna seiner Macht zu entziehen, und fuhr eigens dafür
nach Carskoe Selo. Doch verlief das Gespräch der beiden Schwestern dramatisch, denn die Kaiserin
lehnte entschieden ab, über dieses Thema auch nur zu sprechen und sorgte dafür, dass Elizaveta
nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft unverrichteter Dinge wieder abreisen musste. Insofern wird
verständlich, wenn die Großfürstin-Priorin nach der Ermordung Rasputins der Mutter
des Fürsten Feliks Jusupov in einem Telegramm vom 18.12.1916 ihrer Gebete "wegen der patriotischen
Tat Ihres lieben Sohnes" versichert.
Selig sind, die Verfolgung leiden ...
Trotz all ihrer aufopfernden Tätigkeit für das russische Volk blieb Elizaveta Feodorovna
nach der Machtergreifung der Bolschewisten nicht lange unbehelligt, galt sie in der Klassifizierung
der neuen Gewalthaber doch sogar in doppeltem Sinne als Vertreterin der "Reaktion": Zum
einen sah man in ihr ein Mitglied der Kaiserlichen Familie, zum andern eine Vertreterin der Kirche,
die besonders dadurch verhasst war, daß sie durch ihr soziales Wirken zugunsten der Ärmsten
des Volkes die marxistisch-leninistische These von der Religion als dem "Opium des Volkes"
offenkundig widerlegte.
So wurde sie am dritten Tag der Osterwoche 1918, dem Fest der Iberischen Ikone der Gottesmutter,
kurz nach dem Gottesdienst, den Patriarch Tichon im Konvent gehalten hatten, verhaftet und schließlich
nach Alapaevsk, 140 Verst nördlich von Ekaterinburg gebracht, wo sich auch weitere Mitglieder
der Kaiserlichen Dynastie befanden, darunter der trotz seiner Jugend schon als Dichter bekannte
Prinz Vladimir Palei (1897-1918). Nur eine Schwester aus ihrem Konvent, Varvara Jakovleva, dürfte
bei ihr bleiben.
Zuerst wurden die Gefangenen noch relativ locker gehalten, als aber die anti-kommunistischen sibirischen
Truppen des Admirals Kolcak sich der Stadt näherten, wurden die Gefangenen von Alapaevsk auf
direkten Befehl Sverdlovs und unter Billigung Lenins von örtlichen Bolschewisten in der Nacht
vom 5./18. Juli 1918 ermordet, indem man sie in einen etwa 30 m tiefen Schacht stürzte. Noch
tagelang dauerte dort ihr Leiden, wobei Elizaveta die anderen Opfer stärkte, bis auch sie verschied.
... den ihrer ist das Himmelreich!
Nach dem Einmarsch der "Weißen" wurden die Gebeine der Großfürstin, der
Schwester Varvara und der anderen Ermordeten aus dem Schacht geborgen und eindeutig identifiziert.
Auch die näheren Umstände ihrer Ermordung konnten von den Untersuchungsbeamten durch Befragung
von Augenzeugen geklärt werden.
Als im kommenden Jahr die anti-kommunistischen Truppen den Rückzug antreten mussten, konnte
abenteuerliche Weise ein Priestermönch Serafim die Gebeine retten und in die russische Kirche
nach Peking bringen. Auf Intervention der Marquioness of Milford-Haven Victoria wurden die Särge
der beiden Schwestern dann 1920/21 auf einem britischen Kreuzer nach Jerusalem gebracht und in derselben
Kirche auf dem Ölberg beigesetzt, bei deren Weihe 1888 Elizaveta gewesen war. Dort ruhen sie
bis heute.
Bei der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche im April 1992 wurde die feierliche Kanonisation
der "Großfürstin Elisaveta, der Gründerin des Martha-Marien-Konventes in Moskau"
vorgenommen, denn sie "weihte ihr frommes christlichen Leben der Wohltätigkeit, der Hilfe
an den Armen und Kranken" und der 18. (5. alter Kalender) Juli zu ihrem Gedächtnistag
bestimmt. Derzeit entsteht am Ort ihrer Ermordung ein neugegründetes Männerkloster, das
nicht nur das Andenken an die deutsche Prinzessin wach halten wird, die zur Heiligen Russlands wurde,
sondern ihr auch ebenso im Dienst der Barmherzigkeit nacheifern will wie der vor einem Jahr in Moskau
wieder gegründete Frauenkonvent. Nicht nur an diesen Orten, sondern in vielen Kirchen Russlands
und der weltweiten russischen Emigration aber erklingt dieser Festgesang zu Ehren der Heiligen,
die Deutschland und Russland verbindet:
"Wer kann die Größe deiner Glaubenstat künden? In der
Tiefe der Erde, wie im lichtvollen Paradies, frohlockte mit den Engeln die Dulderin, die Großfürstin
Elisabeth, in Psalmen und Gesängen und rief, den gewaltsamen Tod erleidend, über die gottlosen
Peiniger aus: Herr, verzeih' ihnen diese Sünde, denn sie wissen nicht, was sie tun. Durch ihre
Gebete, Christus, unser Gott, erbarme dich und rette unsere Seelen!"
(Nikolaus Thon)
Ehrw. Mrt. Elizaveta Feodorovna - 18. (5.) Juli